Gute Zauberer bilden sich weiter
Weiterbildung gehört dazu – und auch gute Zauberer bilden sich stets weiter. So war ich letzte Woche zusammen mit meiner Frau in der norddeutschen Stadt Lübeck, dort, wo man zu jeder Tageszeit mit einem freundlichen „Moin“ begrüsst wird, zu Gast. Und ich kann sagen, wir haben nicht nur Marzipan gegessen (Lübeck gilt weltweit als Stadt des Marzipans), sondern auch viel gute (aber auch weniger gute) Zauberei erleben dürfen.
MAGICA – Die deutsche Meisterschaft im Zaubern
Für alle, die sich für gute Zauberer und deren Zauberei interessieren, gebe ich nachstehend einige Einblicke in die vielfältige Welt der Zauberkunst. Jedes jahr finden überall auf der Welt hunderte Zauberkongresse, Wettbewerbe, Seminare oder Workshops statt, die von den verschiedenen magischen Zirkeln veranstaltet werden. Da sind zum einen die ganz grossen Weltkongresse, bei denen die Besten der Besten zum Weltmeister oder zur Weltmeisterin gekürt werden, aber es gibt auch viele kleine, intime Zaubertreffen, die von den lokalen Zauberzirklen organisiert und durchgeführt werden.
Das diesjährige nationale Highlight in Deutschland war MAGICA – die deutsche Meisterschaft der Zauberkunst, die vom 9. bis zum 13. Oktober 2024 in der Hansestadt Lübeck stattfand.
Der Wettbewerb im Zaubern
Wettbewerbe im Zaubern, bei dem die oder der Beste in der jeweiligen Sparte von einer Jury auserkoren wird, werden in verschiedene Sparten (Bühnenzauberei allgemein, Manipulation, Comedy, Kinderzauberei, Mikromagie etc.) unterteilt. Und für jede dieser Darbietungen gibt es Punkte. Anhand dieser Punktzahl können dann die unterschiedlichen Künstler:innen miteinander verglichen werden.
Den Auftakt im Wettbewerb machte TJARK SCHLÖSSER, ein junger intellektuell wirkender Zauberkünstler, der in der Sparte Comedy eine wirklich witzige Nummer zeigte, in der er versuchte, die Jury auf Grund seiner „Nachforschungen“ mit Kaffee oder Kuchen zu bestechen.
Da ich mich in der Zauberei ganz speziell für die Manipulation mit Spielkarten, Bällen oder Münzen interessiere, waren diese Darbietungen natürlich besonders spannend. Besonders positiv aufgefallen sind mir dabei das Zauberduo JANUS, welches hintereinander stehend einige ganz tolle Manipulationen mit vier Händen zeigte. Oder die junge Zauberkünstlerin EMILIE KLOCH, mit ihrer ruhigen Feder- und Ballmanipulation.
Herausheben möchte ich auch noch MANUEL MUERTE, ein Mitglied der berüchtigten „fertigen Finger„. In der Sparte Parlour Magic zündete er sein unvergleichliches komödiantisches Talent und brachte damit die ganze Halle zum Kochen. Zusammen mit seinem hypnotisierten Frettchen sicherte er sich mit dieser Nummer den verdienten ersten Platz.
Die Seminare
Insgesamt 9 Seminare standen auf dem Programm, wobei ich mich als erstes auf den englischen Zauberer Kieron Johnson freute. Leider glänzte dieser mit Abwesenheit (er war erst gar nicht angereist).
Dafür hielt Hyunjoon Kim aus Korea, was sein Name versprach. Der in Seoul aufgewachsene und mit unzähligen Preisen dekorierte Magier gab uns in seinem Seminar über die hohe Kunst der Kartenmanipulation wertvolle Tipps im Umgang mit Manipulationskarten, wie man sie pudert oder mit Paraffin behandelt. Seine unglaublich schnellen Kartenproduktionen und seine stupende Technik imponierten mir dabei sehr.
Das zweite Seminar, welches mir ausserordentlich gut gefiel, war jenes des amtierenden Weltmeisters in Close-up-Zauberei: Luis Olmedo. Seine Münzen- und Kartenzauberei liess das Herz eines jeden Close-up-Zauberers höher schlagen. Was der sympathische Spanier zeigte war Zauberei der Extraklasse. Besonders gefallen haben mir sein Kunststück „Sophie’s Choice“, zu dem er sich vom gleichnamigen Film inspirieren liess und das er auch in seinem Seminarheft beschrieben hat (er war einer der wenigen, die überhaupt Seminarhefte zum Verkauf anboten).
Was mir ganz allgemein bei vielen Künstlern und auch bei Luis‘ One-Man-Show am Abend aufgefallen ist, wie viele gute Zauberer Musik im Hintergrund verwenden, während sie selbst oder die Zuschauer-Assisten:innen die Bühne betreten oder wenn irgendwelche Handlungen auf der Bühne geschehen. Die ganze Darbietung wird dadurch in vielen Fällen schlicht und einfach magischer.
Die Händlermesse
Selbstverständlich liess ich mir auch die Händlermesse nicht entgehen, wo Händler aus aller Welt ihre neuesten (nicht immer) Kraetionen präsentierten und zum Verkauf anboten.
Mein Fazit zur MAGICA
Alles in allem war es ein schöner Kongress, der aber nicht ganz hielt, was er versprochen hatte. Der Wettbewerb, bei dem es sich doch immerhin um die deutschen Meisterschaften im Zaubern handelte, war mit wenigen Ausnahmen unterdurchschnittlich besetzt und auch bei den Preisverleihungen konnten ich nicht jede Entscheidung wirklich nachvollziehen.
Die Kulturwerft Gollan, eine zum Kulturtempel umgebaute alte Schiffswerft, liess sich leider nicht auf eine angenehme Temperatur heizen und so kam es, dass etliche Kongressbesucher sich bereits am ersten Tag erkälteten.
Auch bei den Seminaren zeigte sich das gleiche Bild. Nicht alle Seminaristen boten wirklich tolle Zauberei und viele hatten auch keine Seminarunterlagen dabei, was es im Nachhinein natürlich etwas schwieriger macht, die Kunststücke zu studieren.
Trotzdem habe ich wieder einmal viel Neues dazugelernt. Und Lübeck ist auch ohne Zauberei eine Reise wert – nur schon wegen des Marzipans.
Autor: Roman Schönenberger, Zauberer Romano